Kurt Singer
Einzelfälle: Kindern helfen,
wenn sie von Lehrern gekränkt werden
„Eine so schlechte Lateinklasse hatte ich noch nie!“
–
Der Lehrer „macht“ seit Jahren „schlechte Lateinklassen“
Wenn Erwachsene aus ihrer Schulzeit, Schüler aus dem Unterricht
erzählen, ist immer wieder von kränkendem Lehrerverhalten die
Rede: Sie fühlten sich schlecht behandelt, unfair geprüft, vor
anderen bloßgestellt, beschimpft, bestraft oder beschämt, ungerecht
angegriffen, bei Lernproblemen im Stich gelassen, in ihrer Persönlichkeit
verletzt. „Aber das sind doch nur Einzelfälle.“ Mit diesem
Satz geben sich jene zufrieden, die sich nicht in das Leid verletzter
Kinder einfühlen, und die auch ihre eigene Person in der Erinnerung
als Schüler nicht wahrnehmen können.
In einer fünften Gymnasialklasse beginnt der Lateinlehrer die Unterrichtsstunde
so: „Ihr habt eine hundsmiserable Stegreifaufgabe geschrieben. Klassendurchschnitt
4,7. Das ist nicht einmal Hauptschulniveau, eine Idiotenschule bräuchte
man für euch. Eine so schlechte Lateinklasse hatte ich noch nie.“
Die Kinder sind vor fünf Monaten mit Hoffnungen, Erwartungen, Unsicherheiten
und Ängsten ins Gymnasium eingetreten. Dass sie von ihrem Lehrer
beleidigt wurden, führte zu keinem Aufruhr bei Eltern und Kollegen.
Dabei ist bekannt: Dieser Lateinlehrer hat seit Jahrzehnten nur
schlechte Lateinklassen; denn er macht sie. Das kann jeder erkennen:
Wenn er so mangelhafte Arbeiten bei den Kindern feststellt, muss ein mangelhafter
Unterricht vorausgegangen sein. Tatsächlich gibt es Eltern, die diesen
logischen Zusammenhang sehen. Aber sie wagen nicht, ihn öffentlich
zu diskutieren. Zu tief haben sich Autoritätsängste aus der
eigenen Schulzeit in ihnen festgesetzt, als dass sie sich jetzt gegen
die „Autorität“ auflehnen könnten.
Kinder vor Einzelfällen schützen –
Für mehr Demokratie und Menschlichkeit in der Schule
Zwar sind es Einzelfälle, in denen Schülerinnen und Schüler
durch Lehrer in ihrem Selbstwertgefühl verletzt werden. Aber unpädagogisches
Handeln weniger Lehrer stört das Lernen vieler Kinder. Verletzendes
Lehrerverhalten wirkt zudem als Krankheitserreger „ansteckend“
in die Schule hinein. Es macht die menschlichen Grundwerte pädagogischen
Handelns unkenntlich. Die großen Schrecken kränkenden Lehrerverhaltens
setzen sich in den kleinen Schrecken des Schulalltags fort: in der Furcht
vor Prüfungen, vor Versagen und Blamage, vor plötzlichem Aufgerufen-Werden.
Viele Lehrer bemühen sich, unterrichtlich kompetent, mitfühlfähig,
und als moralisches Vorbild auf die Schüler einzugehen. Aber unpädagogische
Verordnungen wie Zensuren und nicht Kindern orientierte Lehrpläne
zwingen sie, Kinder unter Druck zu setzen und deren Individualität
zu missachten. Seelisch verletzendes Lehrerverhalten kann Kinder kränken,
krank und dumm machen. Wenn sich etwas verändern soll, muss der würdelose
Umgang mit Schülern öffentlich gemacht und bearbeitet werden.
Eltern, Lehrer, Schüler und Politiker sollten mit Zivilcourage für
demokratische Verhältnisse in der Schule eintreten und für eine
neue Ethik des Zusammenlebens im Unterricht.
„Du bist einfach zu dumm für die höhere Schule“
Marion wurde von ihrer Lehrerin persönlich beleidigt. „Ich
hatte gut gelernt auf die Mathematikstunde. Aber als mich die Lehrerin
an die Tafel holte, merkte ich, wie ich zitterte. Ich habe an der Tafel
nur noch unendlich viele Klammern und Zahlen gesehen, alles verschwamm
vor meinen Augen. Da machte mich die Lehrerin lächerlich: ,Jetzt
steht sie da wie der Ochs vor’m Berg. Da brauchst du nicht an die
Zimmerdecke schauen, in deinem Hirn ist nichts drin.Wie kann
man sich nur so saudumm anstellen. Du bist einfach zu dumm für eine
höhere Schule. Was das für eine Note ist, kannst du dir denken.
Setz dich!’ Ich hab’ mich furchtbar geschämt und ging
an meinen Platz. Das war richtig gemein von ihr und hatte eine wahnsinnige
Wut. Aber ich traute mich nichts mehr zu sagen. Dass die Schüler
so fertig macht, ist nicht nur mir passiert, sondern auch Mitschülerinnen.“(1)
Pädagogischer Takt schützt vor seelischer Verletzung
–
Lehrerinnen und Lehrer als Vorbilder für Rücksichtnahme
Lehrerinnen und Lehrern wie diesen mangelt es an einer Grundform pädagogischen
Handelns, dem pädagogischen Takt. Die ungleiche Situation
zwischen Kindern und Erwachsenen erfordert, sich in Kinder einzudenken,
Rücksicht vorzuleben und die Schüler zu Rücksicht anzuleiten.
Bei Lehrern mit pädagogischem Takt können Kinder sicher sein,
nie bloßgestellt, nicht unvorhergesehen aufgerufen zu werden. Sie
werden nicht ausgelacht und beschämt, Zensuren werden nicht vor anderen
bekannt gegeben. Taktvolle Lehrer bemängeln Fehler nicht öffentlich;
sie korrigieren behutsam, um die Schülerarbeit nicht zu entwerten.
Fehler-Freundlichkeit ist ein Unterrichtsprinzip: Aus Fehlern lernen,
statt Kinder damit zu verurteilen. Taktvolle Lehrer vermeiden es, geistige
und körperliche Schwächen von Jugendlichen aufzuzeigen, Kinder
durch Ironie oder mit Schimpf- und Spottnamen zu erniedrigen. All dies
trägt umgekehrt dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler
lernen, auf Lehrer Rücksicht zu nehmen.
Demütigung, Drohung, Auslachen, Angstmachen verstößt
gegen den Pädagogischen Takt
Die unachtsame Art, in der manche Lehrer mit Kindern umgehen, beschädigt
deren Lernbereitschaft. Oft schildern sie verzweifelt, wie hilflos sie
gegenüber kränkenden Lehrern sind. Diese stellen Schüler
mit missglückten Arbeiten bloß, lachen sie aus und machen sie
verächtlich, lassen sie an Prüfungsaufgaben „hängen“,
bedrohen und disziplinieren sie mit schlechten Noten. Sie lesen ohne Einverständnis
der Schüler missglückte Arbeiten vor, blamieren Kinder, erniedrigen
sie durch Kritik an ihrem Aussehen, rufen Schüler auch dann auf,
wenn diese sich nicht zu Wort melden und wenn klar ist, dass die Aufgerufenen
keine Antwort wissen und lediglich in eine peinliche Situation geraten;
sie geben Zensuren öffentlich bekannt, beleidigen Kinder mit ironischen
Bemerkungen, äußern sich abfällig über die „Dummheit“
Einzelner. Sogar Begriffe aus der Foltersprache werden ausgesprochen:
„Dann muss ich die Notenschraube anziehen.“
Einzelfälle gefürchteter Lehrer überfallen Kinder mit
unangekündigten Proben, lassen Schwache hilflos zurück, geben
trotz schulgesetzlichen Verbots Strafaufgaben, beachten einzelne Kinder
nicht, sehen weniger das, was geglückt, als das, was missglückt
ist. Sie lassen nicht mit sich reden und verweigern Schülern, mitzubestimmen.
Sie nehmen nicht Rücksicht auf die individuelle Situation,
sondern stellen überhöhte Leistungsforderungen. Sie missbrauchen
Teile der Unterrichtsstunde, um auszufragen, statt zu unterrichten, helfen
den Kindern nicht, wenn sie sich schwer tun. Durch pädagogisch unakzeptables
Lehrerverhalten fühlen sich die Schüler ungerecht behandelt,
beleidigt, beschimpft, verspottet, klein gemacht, geängstigt. Angst
im Unterricht hat sogar einen speziellen Begriff: Schulangst.
Kindern Angst einzujagen, ist seelische Gewalt; sie behindert junge Menschen
in ihrer Leistungsfähigkeit.
Gewalt in der Schule gibt es nicht nur bei einzelnen Jugendlichen,
sondern auch beim Macht-Missbrauch einzelner Lehrer
Heute wird viel von Gewalt in der Schule gesprochen. Dabei denken die
meisten nur an Aggressivität, die von gewalttätigen Schülern
ausgeht. Das überrascht; denn Jugendliche sagen, sie seien öfter
gewalttätigem Lehrerverhalten ausgesetzt als gewaltbereiten Mitschülern.
Auch Erwachsene erzählen weniger über aggressive Klassenkameraden
als über aggressive Lehrer, unter denen sie litten.
Die Erziehungswissenschaftler der Universität Salzburg, Volker
Krumm und Susanne Weiß (2)
haben herausgefunden: „Schüler leiden unter Kränkungen
durch Lehrer ähnlich oft und ähnlich stark wie unter Kränkungen
durch Mitschüler.“ Aber fast alle, die das Thema ‚Gewalt
in der Schule’ angingen, untersuchten nicht Gewalthandlungen, die
von den mächtigen Schulangehörigen ausgehen, „von Direktoren,
Lehrern, Schulwarten, Sekretariatsangestellten oder einzelnen Vätern
und Müttern in der Schule. Fast alle untersuchten Gewalt, die von
der schwächsten Gruppe in der Schule ausgeht: den Schülern.“
70 Prozent der Befragten berichten von Kränkungen durch
Lehrer –
Aufsatz-Nachbesprechung als „öffentliche Hinrichtung“
Zu der Untersuchung über pädagogisch inakzeptables Lehrerverhalten
werteten die Erziehungswissenschaftler 915 Fragebögen an Studenten
aus. Danach erlebten 78 Prozent der Befragten Kränkungen. Wiederholte
Kränkungen wurden mehr als doppelt so häufig berichtet wie einmalige.
„Lehrerverhalten, das als kränkend erlebt wurde war zum Beispiel:
Bloßstellen, Schimpfen, Zuschreibung von Dummheit, Unterlassene
Hilfeleistung, Ignorieren, ungerechte Strafe, Unterstellen von Fehlverhalten,
Drohen mit Sitzenbleiben-Lassen, unfaires Prüfen, unfaire Mitteilung
an andere Lehrer, Ablehnung, Schikane“ (Krumm und Weiß).
Alle kennen den Macht-Missbrauch der Einzelfälle, aber die meisten
hüllen seelisch verletzendes Lehrerverhalten in Schweigen. Dadurch
tragen sie dazu bei, dass Schule für Kinder zum Schülerschicksal
werden kann. Zum Beispiel beim Einzelfall Deutschlehrerin: Sie
liest nach jeder Deutscharbeit die „Fünfer- und Sechseraufsätze“
vor und kommentiert diese ironisch. In der Regel trifft es wiederholt
die gleichen Schülerinnen und Schüler. Mehrmals liefen zwei
Mädchen während diesem Entwertungs-Ritual weinend aus dem Klassenzimmer.
Mitschüler bezeichneten die „Aufsatz-Nachbesprechung“
als „öffentliche Hinrichtung“.
Die einfühlsame Klassensprecherin bittet die Studienrätin,
die gekränkten Mitschülerinnen nicht mehr vor der Klasse herabzusetzen.
Die betroffenen Mädchen würden sich beschämt fühlen,
sie hätten vor jeder neuen „Aufsatzbesprechung“ Angst.
Die Studienrätin weist die Bitte der Klassensprecherin barsch zurück:
„Ich denke gar nicht daran, mir von euch meinen Unterricht vorschreiben
zu lassen. Ihr kapiert wohl nicht, dass ihr aus den miserablen Arbeiten
lernen könnt – und das habt ihr bitter nötig, das gilt
übrigens auch für Sie!“
Anschauungsunterricht darüber, wie man Schwache bloßstellt
–
Sollen Jugendliche abstumpfen, um die Schule ertragen zu können?
Tatsächlich lernen die Schüler etwas, nämlich: Wie man
Schwache rücksichtslos bloß stellt und noch mehr schwächt,
sie lernen den Deutschunterricht fürchten, sie lernen, ohnmächtig
zu sein gegenüber dem Macht-Missbrauch der Lehrerin; denn auch die
Schulleiterin und der Verbindungslehrer „wollen sich nicht in den
Unterricht einmischen“. Bei dieser Lehrerin passt die berechtigte
Frage eines lernwilligen Schülers an seinen Lehrer: Wie kann ich
lernen, was Sie wissen, ohne zu werden, wie Sie sind?
Die Lehrerin erniedrigt Schülerinnen wiederholt. Sie betritt zum
Beispiel das Klassenzimmer und sagt zu dem vor ihr sitzenden Mädchen:
„Um Gottes willen, deine Visage kann ich heute nicht ertragen, setz’
dich bitte nach hinten.” – Es erfolgt kein Protest bei Schülern,
Kolleginnen und Eltern. Die meinen dazu: „Bei der darf man nicht
zimperlich sein.” Sollen feinfühlige Kinder abstumpfen, um
fühllose Lehrerinnen ertragen zu können?
Das Lehrerverhalten in der Umkehrung vom Schüler zum
Lehrer betrachten,
da wird die Unanständigkeit deutlicher
Was geschähe, wenn die Jugendliche das beleidigende Verhalten umkehren
und die Oberstudienrätin beim Betreten des Klassenzimmers anschreien
würde: „Um Gottes Willen, Ihre Visage kann ich heute nicht
ertragen, verlassen Sie bitte diesen Raum”? – Die verletzenden
Bemerkungen seien nur Spaß, meinte die Lehrerin ungerührt,
als man sie darauf ansprach. Aber den Jugendlichen vergeht der Spaß
– und die Freude am Aufsatzunterricht. Die Vorkommnisse sind schulbekannt.
Aber der Elternbeirat sieht sich nicht für die Kinder zuständig:
Man könne die Lehrerin nicht ändern. Man dürfe sich nicht
einmischen, wenn es um die verletzte Ehre der Schüler geht? Wo doch
seit dem Jahr 2000 den Kindern durch ein neues Gesetz „gewaltfreie
Erziehung“ zugesagt wurde und seither seelische Verletzungen als
strafbare Handlungen gelten? Unpädagogisches Lehrerverhalten der
Einzelfälle wird geduldet, jahrzehntelang. Für viele Menschen
wird dadurch verschwommen, worin pädagogisches Handeln eigentlich
besteht.
Ein Pädagogischer Lehrer-Eid als Selbstverpflichtung
–
Die Grundlage einer humanen Schule
Hartmut von Hentig (3), der Gründer
der Bielefelder Laborschule, empfiehlt Lehrerinnen und Lehrern einen „neuen
Eid“: eine Selbstverpflichtung der Lehrer zu einer pädagogischen
Ethik.
So wie Ärzte im hippokratischen Eid, sollten Lehrer in einer Selbstverpflichtung
versprechen
-
jedes Kind in seinen Eigenheiten zu achten,
-
für seine körperliche und seelische Unversehrtheit einzustehen,
-
seine Regungen zu respektieren,
-
ihm zuzuhören, es ernst zu nehmen.
Lehrer verpflichten sich
-
Schüler die Kunst der Verständigung und des Verstehens
zu lehren,
-
sie bereit zu machen, Verantwortung für die Gemeinschaft zu
tragen,
-
und sie erfahren lassen, wie das gemeinte gute Leben ist.
Dem Eid entsprechend
-
leben die Pädagogen vor, wie man mit Schwierigkeiten zurecht
kommt,
-
sich der Kritik der Schüler und Sachkundigen stellt,
-
und sich allen Verhältnissen widersetzt, auch Dienstvorschriften,
die die humanen Vorsätze behindern.
Ein solcher Eid gäbe pädagogisch engagierten Lehrern in ihrem
wert-erfüllten Handeln Sicherheit und Ermutigung. Dieser Ehrenkodex
schafft die Grundlage für eine pädagogische Schule
und hebt das Ansehen der Lehrerinnen und Lehrer.
„Aber Lehrer sind doch auch nur Menschen“ –
Pädagogischer Imperativ: Kinder nicht in ihrem Selbstwert verletzen
Kinder müssen Eigenheiten ihrer Lehrer ertragen, wie die Lehrer
die der Kinder. Alle sind unterschiedlich, haben ihre Schwierigkeiten,
ihre Vorzüge und Nachteile. Schüler lernen in Lehrern andere
Menschen kennen, lernen, sich mit ihnen auseinander zu setzen, streben
ihnen als Vorbilder nach, oder werden vom negativen Beispiel abgeschreckt.
„Lehrer sind doch auch nur Menschen“, aber sie dürfen
keine Unmenschen sein. Um diese handelt es sich bei den Einzelfällen
kränkenden Lehrerverhaltens.
Lehrer können wütend werden, ärgerlich sein, schimpfen,
sich wehren gegen Riesenansprüche, sich mit Festigkeit abgrenzen,
ein halt-gebendes Nein setzen, in Zorn geraten, sie dürfen in gerechter
Weise strafen, von den Schülern Anstrengung fordern, sich gegen achtungsloses
Schülerverhalten wehren, sich vor schlechter Behandlung durch Jugendliche
schützen. Nur eines sollten sie nie: Kinder und Jugendliche „klein
machen“, sie mit ihrer Person entwerten, sie mit nieder machenden
Worten kränken: „Stellst du dich wieder dumm an“, sie
mit ausstoßenden Bemerkungen isolieren: „Du gehörst eigentlich
nicht auf die Realschule“ mit entwertenden Feststellungen entmutigen:
„Das ist doch sinnlos, was du da machst“, mit ironischen Worten
verletzen: „Eine vorzügliche Arbeit, die du da geliefert hast“,
sie mit vernichtenden Voraussagen aufgeben: „So wie ich das sehe,
wirst du das nie schaffen“, sie mit Schwächen bloß stellen:
„Da lese ich euch jetzt den Aufsatz von B. vor...“, ihnen
die Zukunft absprechen: „Du landest bestimmt noch einmal bei der
Putzkolonne.“
Miteinander reden über Unterricht und Schule –
Fragen an Schülerinnen und Schüler zum achtsamen Umgang
-
Wie oft freust du dich auf den nächsten Schultag? Worauf
freust du dich?
-
Habt ihr in eurer Klasse ein angstfreies Lernklima? Wann gehst
du mit Angst in die Schule? Wovor hast du am meisten Angst? Sprichst
du darüber mit den Eltern, Mitschülern und Lehrern?
Oder meinst du, du müssest cool sein und nichts davon zeigen?
Du solltest die Angst nicht verleugnen, sondern ernst nehmen.
-
Kann du ohne Angst zum Lehrer hingehen und ihm sagen: „Das
habe ich nicht verstanden, bitte erklären Sie es mir noch
mal”?
-
Bei welchen Lehrerinnen und Lehrern lernst du gern und strengst
dich bereitwillig an? Woran liegt das?
-
Arbeitest du im Unterricht bereitwillig mit? In welchen Unterrichtssituationen
meldest du dich zu Wort und wie geht es dir dabei?
-
Gehen in deiner Klasse Schülerinnen und Schüler im
Unterricht rücksichtsvoll miteinander um? Sind Schüler
gegenüber den Lehrern und die Lehrer gegenüber den Schülern
freundlich? Gehst du taktvoll mit Lehrerin und Lehrer um? Kannst
du ihnen sagen, wenn dir etwas gut gefällt?
-
Hat dich schon einmal ein Lehrer beleidigt? Wie spielte sich
das ab? Wie war dir zu Mute? - Sagtest du hernach dem Lehrer,
wie dich sein Verhalten gekränkt hat? Zum Beispiel, wenn
er dich bloß stellte, lächerlich machte, beleidigte?
-
Hast du den Eindruck der Lehrer sieht dich persönlich,
oder nur deine Leistung, sagt er auch einmal ein persönliches
Wort zu dir?
-
Führt ihr mit dem Klassenlehrer regelmäßig Kreisgespräche
zum Thema: Wir und die Schule? Denkt ihr gemeinsam mit der Lehrerin
über die Frage nach: Wie stellen wir uns die Schule schöner
vor – und was können wir gleich heute verbessern?
-
Gibt es eine Schülersprechstunde, in der Kinder und Jugendliche
mit Lehrern bereden können, wozu im Unterricht keine Gelegenheit
ist?
-
Können in die Elternsprechstunde auch die Schüler
mitkommen, damit nicht über sie, sondern mit ihnen
geredet wir?
-
Wirst du von Lehrerinnen und Lehrern nur mit deinem Einverständnis
aufgerufen, also wenn du dich meldest? Oder auch gegen deinen
Willen? Wie erlebst du es, vor der Klasse ausgefragt zu werden?
Gerätst du in ängstliche Erregung, fühlst du dich
blockiert, oder freust du dich, dein Wissen zeigen zu können?
Könnt Ihr mit Lehrern darüber sprechen?
-
Kann du sicher sein, in der Klasse nie bloßgestellt zu
werden? Gehört es in deiner Klasse zu den Regeln, nie einen
Schüler auszulachen oder zu beschämen? Ist es selbstverständlich,
Zensuren auf keinen Fall öffentlich bekannt zu geben?
-
Besprecht Ihr Eure Wünsche, Ängste und Probleme regelmäßig
im Kreisgespräch mit den Klassensprechern?
Eine Klassenlehrerin steht zu ihren Schülern und lässt sich
mit dem kränkenden Kollegen ein
In einem Fall achtungslosen Lehrerverhaltens wandten sich die Jugendlichen
an ihre Klassenlehrerin. Diese hatte selbst Angst vor dem Chemielehrer.
Aber sie fand sich unglaubwürdig, wenn sie ihren Schülern nicht
beistand; denn sie selbst regte die Jugendlichen an, kritisch ihre Meinung
zu sagen. Im Zwiespalt zwischen Schweigen und Einmischen folgte sie ihrer
Verantwortung, zum Unrecht Nein zu sagen.
Die Klassenlehrerin ging mit ihrer Angst zu dem Kollegen und
ließ sich mit ihrer Überzeugung erkennen. Ihre Stimme zitterte,
als sie das Gespräch begann: „Ich möchte Ihnen sagen,
was mich schon lange belastet. Es geht um meine Klasse. Ich finde es demütigend,
die Kinder so in Angst zu versetzen …” – Frau M. berichtete
nun nicht nur von den Nöten der Kinder, sondern sagte, was sie persönlich
dachte: dass sie es für pädagogisch unakzeptabel hält,
mit Schülern so entwertend umzugehen. Sie bat den Oberstudienrat,
die Schüler nicht mehr zu beschimpfen. Der Kollege verteidigte sich:
die Kinder wären zu zimperlich; er müsse sich Respekt verschaffen,
sonst tanzten sie ihm auf dem Kopf herum…
Ist die Nicht-Einmischung Kollegialität oder Kumpanei?
–
„Tapferkeit vor dem Freund“ wagen
Beide waren erregt, aber kamen ins Gespräch. Es schien, als fühlte
sich der Chemielehrer beim Angstmachen doch nicht wohl. Offenbar musste
er sich wegen eigener Ängste panzern, aber er war bereit, noch einmal
mit der Kollegin zu reden. Aus der Konfrontation folgten mehrere kollegiale
Gespräche. Letztlich hatte die Klassenlehrerin den Eindruck, der
gefürchtete Kollege sei erleichtert darüber, dass sie ihn ansprach.
Denn die hinter seinem Rücken vollzogene üble Nachrede
von Lehrerkollegen und Eltern war ihm nicht entgangen. Der Oberstudienrat
veränderte nicht seinen Charakter, aber er milderte sein lernstörendes
Verhalten. Die Schüler berichteten, dass er das bloßstellende
Abfragen unterließ. Sie waren stolz auf ihre Lehrerin, die das Notsignal
der Kinder aufnahm und zu ihren Schülern stand. Die Studienrätin
war zufrieden mit sich, weil sie ihren ethischen Wertmaßstäben
treu blieb.
Oft nennen es Lehrer „Kollegialität”, wenn sie bei
pädagogisch unannehmbarem Lehrerverhalten wegschauen, statt Kindern
zu helfen. In Wirklichkeit sind sie gleichgültig, fürchten sich
vor der Einmischung oder betreiben Kumpanei. Die Klassenlehrerin hingegen
ließ Mitleid zu und nahm den verletzenden Kollegen ernst.
Sie führte keinen Überzeugungs-Machtkampf, sondern ließ
sich mit ihrem Besorgt-Sein und ihrem Wunsch nach Abhilfe begreifen. Da
sie sich gewaltlos einmischte, endete der Konflikt nicht in Aggressivität.
Die Haltung der Klassenlehrerin war „Tapferkeit vor dem Freund”.
So nennt Ingeborg Bachmann den Mut, innerhalb der eigenen Gruppe den Widerspruch
zu wagen, im Kollegium oder im Elternbeirat eine gegensätzliche Meinung
zu vertreten.
Seelische Beschädigung wirkt lange nach
Die Gleichgültigkeit gegenüber seelisch verletzten Schulkindern
drückt sich in dem Satz aus: „Das kommt doch nur in Einzelfällen
vor.” Diese Haltung ermöglicht es, den verletzenden Einzelfall
auf sich beruhen zu lassen, ohne den Kindern zu helfen. So wiederholt
sich der „Einzelfall“ immer wieder. In der Untersuchung von
Volker Krumm und Susanne Weiß wurden auf einer siebenstufigen Skala
die Kränkungen von den Befragten „durchschnittlich als ‚schwer’
beurteilt. 64 Prozent der Studentinnen und 53 Prozent der Studenten stuften
ihre Kränkungen als ‚schwer’, ‚sehr schwer’,
oder ‚sehr, sehr schwer’ ein... Für die Hälfte der
Studenten und ein Viertel der Studentinnen ist die bei der Befragung erzählte
Kränkungsgeschichte vergangen. Für die übrigen 49 Prozent
der Studenten und 74 Prozent der Studentinnen hatte der Vorfall nachhaltige
Wirkung. 8 Prozent der Studentinnen und 6 Prozent der Studenten bedrückt
oder beschäftigt er sogar heute noch häufig.“
Schüler können bei unpädagogischem Lehrerverhalten
Hilfe holen –
Eltern, Verbindungslehrer, Schulpsychologen sollten sie dazu ermutigen
-
Führst du Gespräche mit Mitschülern
in der Absicht, dich mit ihnen auszutauschen, gemeinsam euere
Beobachtungen zu überprüfen, euch zu solidarisieren,
um das belastende Lehrerverhalten abzuwenden?
-
Besprecht ihr euer Anliegen mit der Klassenlehrerin
oder einem Lehrer, von dem ihr wisst, dass er euch ernst nimmt?
-
Setzt ihr euch mit dem Klassensprecher zusammen und
überlegt, wie ihr euch selbst helfen und von wem ihr euch
helfen lassen könnt?
-
Arbeitet ihr mit den Schulsprechern zusammen und informiert
euch darüber, welche Rechte Schülerinnen und Schülern
zustehen und wie euch die Schülervertretung unterstützen
kann?
-
Versucht ihr, mit dem schwierigen Lehrer ein Klassengespräch
zu führen, in dem ihr die kränkenden Vorgänge darstellt
und ihn bittet, sie zu unterlassen?
-
Könnt ihr in einer kleinen Schülergruppe
mit dem verletzenden Lehrer über eure Ängste und Wünsche
reden?
-
Es kann hilfreich sein, ein gemeinsames Gespräch
zwischen Schülern, Eltern und Lehrern zu organisieren. Zum
Beispiel als Gesprächsabend, auf dem alle Seiten gleichberechtigt
sind und eine neutrale Person die Veranstaltung leitet.
-
Vertraut ihr euch dem Vertrauens- oder Verbindungslehrer
an und bittet ihn, euch zu unterstützen?
-
Sprecht ihr mit dem Schulpsychologen über das
unpsychologische Verhalten des gefürchteten Lehrers und bittet
ihr ihn nachdrücklich um psychologische Hilfe und um sichtbare
Zeichen dafür, dass er sich für euch einsetzt?
-
Versucht ihr, mit dem schwierigen Lehrer unter Beisein eines
von beiden Seiten akzeptierten anderen Lehrers zu sprechen, um
die Seite der Schüler darzustellen und die des Lehrers anzuhören?
-
Sprecht ihr mit euren Eltern darüber, wie sie
euch unterstützen und wie sie euch gegen das Unrecht schützen
können?
-
Habt ihr ein Gespräch mit dem Schulleiter geführt,
in dem ihr ihm genau dokumentierte Beobachtungen aus dem Unterricht
schriftlich vorlegen konntet und ihn nachdrücklich bittet,
euch zu unterstützen?
-
Könnt ihr in Gruppenarbeit eine schriftliche Dokumentation
über die verletzenden Vorfälle zusammenstellen?
-
Nehmen die Elternvertreter Kontakt mit euch auf, tut
ihr das mit ihnen? Werdet ihr bei Konflikten von den Elternvertretern
gehört und unterstützt?
-
Wenn ihr innerhalb der Schule zu wenig gehört werdet: Könnt
ihr Gespräche mit der vorgesetzten Schulbehörde
führen?
Wenn Schüler unter „Mobbing“ durch Lehrer
leiden:
Kränkungen wahrnehmen, statt wegschauen
Kinder in Schulnot können meist nicht mit dem Schutz staatlicher
Behörden rechnen, wenn ihnen ihre Grundrechte verwehrt werden. Sie
haben noch keinen Bundesbeauftragen der Regierung wie die Frauen, Soldaten,
Ausländer, Patienten. Dabei bräuchten sie als die Schwächsten
in der Gesellschaft am dringendsten eine Lobby, die ihre Rechte schützt.
Sie können sich keinen Rechtsanwalt nehmen, der ihre Bürgerrechte
vertritt. Schlimmer noch: Nicht einmal des Beistands ihrer Eltern dürfen
sie sicher sein. Deren Fürsorge setzt häufig gerade dann aus,
wenn sie ihr Kind vor seelischer Verletzung durch Lehrer schützen
sollten. Zwar sind viele Schülereltern unzufrieden. Sie leiden unter
der Schule, weil sie sehen, wie ihre Kinder und sie selbst unter Druck
geraten. Manche von ihnen müssen in einem fort trösten, ermuntern,
fordern, unterstützen. Nicht selten wird durch die unpädagogischen
Unterrichtsbedingungen das Familienklima getrübt. Aber nur wenige
Eltern kritisieren die lernstörenden Verhältnisse öffentlich.
„Schüler klagen im Prinzip über ein Verhalten von Lehrern,
das heute ‚Mobbing’ genannt wird, wenn es von Erwachsenen
erlebt wird.“ In der Mobbing-Forschung wird Mobbing „definiert
als eine ‚negative Kommunikation’, die mindestens einmal in
der Woche vorkommt, und das mindestens 6 Monate lang. Nach diesen Kriterien
beschrieben 16,9 Prozent aller 915 befragten Studenten, wie sie während
ihrer Schulzeit unter Mobbing durch einen Lehrer oder eine Lehrerin gelitten
haben“ (Volker Krumm, Susanne Weiß).
Eine Mutter wagt Einspruch gegen einen Lehrer, der ihren
Jungen mobbte
Armin litt darunter, dass ein Lehrer wiederholt missglückte Arbeiten
spöttisch kommentierte, ihn lächerlich machte, seine Fähigkeiten
als „hoffnungslos” bezeichnete, dann ihn wieder lange Zeit
verächtlich ignorierte. Den Jugendlichen verfolgten die kränkenden
Situationen bis in den Schlaf, und er klagte über Spannungs-Kopfschmerz.
Die Mutter hatte so viel Angst vor der Schule wie der Junge. Sie fragte
sich: Mache ich es nicht schlimmer, wenn ich mich beschwere?
Schließlich wurde ihr Mitgefühl zur moralischen Kraft. Sie
ging mit ihrer Angst in die Sprechstunde, griff den Lehrer nicht
an, kritisierte nicht sein unpädagogisches Verhalten, sondern ließ
sich erkennen: mit ihrem Kummer und mit der Not des Jungen, für den
die Schule zum Alptraum wurde. Sie sagte dem Lehrer, wie kränkend
sie es finde, das Kind bloßzustellen. Das Gespräch verlief
anders, als die Mutter befürchtete. Zwar verteidigte sich der Realschullehrer:
der Junge würde alles zu dramatisch sehen, er wäre zu sensibel.
Kann die Schule sensible Kinder nicht brauchen? Vielleicht kam im Lehrer
doch Scham über sein erniedrigendes Verhalten auf. Denn der Einspruch
der Mutter bewirkte, dass der Lehrer den Jungen nicht mehr demütigte.
Er fand sich sogar bereit, mit dem Schüler zu sprechen.
Die Gleichgültigkeit überwinden – Mitleid
macht hilfsbereit und mutig
Der Mut der Mutter bewirkte, dass Lehrer, Eltern und Schüler ins
Gespräch kamen. Dadurch wurde eine kränkende Situation gemildert.
Es schien, als schreckte die Frau den Lehrer aus seiner Gleichgültigkeit
auf. Denn, so Elie Wiesel: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass,
sondern Gleichgültigkeit.” Töten wir unseren Widerspruchsmut
durch Gleichgültigkeit ab? Vorsätzliche Kränkungen verübt
nur eine Minderheit von Lehrerinnen und Lehrern. Aber diese Minderheit
verletzt damit Tausende von Kindern. Darf menschlicher Anstand im Klassenzimmer
außer Kraft gesetzt werden? Die Verstöße gegen die Menschlichkeit
-
werden in der Regel von Vorgesetzten stillschweigend hingenommen;
-
gebilligt von Dutzenden von Kolleginnen und Kollegen – oder
auch missbilligt, aber ohne öffentliche Empörung;
-
geduldet oder auch erduldet von Hunderten von Eltern, manche von
ihnen kennen den kränkenden Lehrer bereits aus ihrer eigenen
Schulzeit. Sie verharren in Resignation;
-
werden erlitten von ungezählten Kindern, die sich nicht wehren
können.
Eltern tun alles, um von ihren Kindern Schaden abzuwenden. Nicht so
in der Schule. Dabei könnten sie sehen, dass die Schulumstände,
von denen sie resigniert sagen „Da müssen die Kinder durch”,
nicht zu mehr, sondern zu weniger Leistungsfähigkeit
führen.
Kinder vor seelischer Verletzung schützen –
Eltern, Lehrer und Schüler sind nicht ohnmächtig
Wenn Eltern psychisch kränkendes Lehrerverhalten erkennen und Verantwortung
für die Kinder übernehmen, ermöglicht das den Lehrern,
ihr Verhalten zu überdenken. Konflikte müssen öffentlich
gemacht und gemeinschaftliche Formen des Umgangs mit ihnen eingeübt
werden. Mit dem Vorwand „Wenn wir an Lehrern etwas aussetzen, schaden
wir unserem Kind”, flüchten Eltern in einen Totstell-Reflex
– und lassen Kinder in ihrer Ohnmacht allein. Tatsächlich schadet
den Schülern nicht die elterliche Einmischung, sondern dass sie zu
achtungslosem Lehrerverhalten schweigen.
Es gibt vielerlei Wege den Konflikt in der Auseinandersetzung mit unpädagogisch
handelnden Lehrern zu bearbeiten, vom Einzelgespräch bis zu „Runden
Tischen” für Eltern, Lehrer, Schüler und Helfer. Voraussetzung
ist, pädagogisch inakzeptables Lehrerverhalten nicht wegschauend
oder bagatellisierend hinzunehmen und aus dem Gegeneinander ein Miteinander
zu machen, um gemeinsame Lösungen zu finden. Eltern müssen
nicht im Gefühl der Ohnmacht sich selbst und die Kinder aufgeben.
Konfliktbearbeitung – „Runde Tische” für
Eltern, Lehrer, Schüler
-
Genau hinsehen, statt wegzuschauen. Eltern, Lehrerkollegen
und Schüler sollten den Ist-Zustand der unpädagogischen
Situation möglichst scharf wahrnehmen.
-
Die Kinder frei erzählen lassen, was sie in
der Schule bedrückt. Sich dafür interessieren, wie sie das
ängstigende oder überfordernde oder kränkende Unterrichtsklima
erleben.
-
Den Kindern zuhören, sie ernst nehmen, wenn
sie über bedrückende Vorkommnisse berichten. Nicht gleich
mit Ratschlägen oder eigener Meinung das von Schülern Mitgeteilte
zudecken.
-
Mit dem Kind überlegen, ob es selbst etwas tun
kann, um die ängstigende Situation zu verbessern: ob es sich
traut, zum Lehrer hinzugehen und ihm zu sagen, wie beleidigend seine
Bemerkung war, und ihn zu bitten, es nicht mehr auszulachen. Zu diesem
Schritt sollten wir Kinder ermutigen, für manche kann er allerdings
überfordernd sein. In jedem Fall brauchen die Kinder das mutige
Vorbild von Eltern oder Anteil nehmenden Lehrerkollegen, die die Auseinandersetzung
mit dem kränkenden Lehrer aufnehmen.
-
Das Elterngespräch mit dem schwierigen Lehrer
riskieren: Sich als Eltern begreiflich machen, die Not des Kindes
und die eigene Not erkennen lassen. Den Lehrer nicht vorschnell schuldig
sprechen, sondern die Lehrersicht anhören, aber auf den Persönlichkeitsrechten
des Schülers bestehen. Das Erleben des Kindes mitteilen, berichten,
wie sich das Verhalten des Lehrers zu Hause und im Unterricht auswirkt.
-
Die Schüler in der Schulsprechstunde dabei sein
lassen, um „an einem Tisch“ größere Offenheit
und Gemeinsamkeit zu schaffen. Schüler, Eltern und Lehrer haben
Gelegenheit, ihre Sicht darzustellen.
-
Gespräche mit anderen Schülereltern: über
deren Erfahrungen und Beobachtungen; sich solidarisieren, um gemeinsam
für die Kinder einzutreten. Der erste Schritt sollte immer die
unmittelbare Auseinandersetzung mit dem verletzenden Lehrer sein.
-
Beobachtungen, eigene Erfahrungen der Eltern oder Kollegen, Mitteilung
der Schülerinnen und Schüler schriftlich festhalten
zu einer Dokumentation der Vorkommnisse, die glaubhaft
bestätigt werden kann. Es ist fair, diese Dokumentation dem Lehrer
zur Stellungnahme zu übergeben.
-
Den schwierigen Lehrer über die nächsten Schritte informieren
– zum Beispiel über geplante Gespräche mit Schulleitung,
Schulbehörde, darüber dass der Konflikt, wenn keine Lösung
in Sicht ist, schul-öffentlich weiter geführt wird.
-
Gespräche der Eltern mit der Klassenlehrerin, dem
Vertrauenslehrer (Verbindungslehrer) und mit aufgeschlossenen
Lehrern des Kollegiums. Die verletzenden Situationen aufzeigen und
um Mithilfe bitten.
-
Gespräch der Eltern mit der Schulleitung auf
der Grundlage genauer Informationen über demütigendes, taktloses,
überforderndes oder unterdrückendes Lehrerverhalten, zu
dem eine Dokumentation erarbeitet wurde.
-
Briefe als Gesprächsgrundlage an die Beteiligten
schreiben; das erleichtert die Argumentation. Die Briefe drücken
den Wunsch und die Bereitschaft aus, den Konflikt gemeinsam
zu lösen.
-
Gespräche von Lehrerkollegen mit dem unpädagogisch
handelnden Kollegen: einzeln oder in kleiner Gruppe hilfreiches
pädagogisches Handeln aufzeigen, den Konflikt klären und
Hilfsangebote machen, kollegiale Beratung oder Konfliktbearbeitung
mit Hilfe eines Dritten: Mediation.
-
Gespräche mit Schulpsychologin, Beratungslehrer oder
Schulsozialarbeiter: Wie kann den Kindern geholfen werden,
wie können sich Psychologe und Beratungslehrer engagieren? Welche
Stellen können um Hilfe gebeten werden?
-
Offenes Gespräch in der Lehrerkonferenz und im
Schulforum; ein Bündnis für Veränderungen
anstreben; gemeinsame kollegiale Lösungen suchen. Den Lehrer
durch die Konfrontation anregen, sich selbst in seinem unpädagogischen
Handeln wahrzunehmen und etwas zu tun, um sein Verhalten zu ändern.
-
Konflikt-bearbeitende Gespräche der Schüler
mit dem schwierigen Lehrer, zusammen mit einem Vertrauenslehrer
oder einem Lehrer, der die Zustimmung der Schüler wie des Lehrers
hat. Vorschläge erarbeiten und aufmerksam verfolgen, wie sie
verwirklicht werden.
-
Klassen- und Schulsprecher in die Konfliktbearbeitung
einbeziehen. Die Schülersprecher bitten, aktiv zu werden,
sich im Rahmen der Schülermitverwaltung für die
Mitschüler einzusetzen. Sich durch die Schulsprecher über
die Rechte der Schüler informieren lassen und diese Rechte wahrnehmen.
-
Diskussion im Elternbeirat. Gespräche von Elternvertretern
mit dem beklagten Lehrer, dem Klassenlehrer und der Schulleitung.
Gespräche mit Schülern der Klasse, in der sich ein Konflikt
abspielt.
-
Eine Elternversammlung einberufen, diese gründlich
vorbereiten, eine Versammlungsleiterin wählen. Sie leitet das
Gespräch und sorgt dafür, dass alle Seiten zu Wort kommen.
Erste konkrete Schritte der Konfliktbearbeitung vereinbaren.
-
Sich pädagogisch sachverständig machen,
um argumentieren zu können: entsprechende Literatur studieren,
Erziehungswissenschaftler oder andere schulkompetente Personen um
Beratung bitten.
-
Die Schulordnung und Schulgesetze studieren
und auf den aktuellen Konfliktfall hin anwenden, aber auch das Grundgesetz,
die „Rechte des Kindes“ der Vereinten Nationen, das bürgerliche
Gesetzbuch, die Hausordnung der Schule, die Verfassung, den Lehrplan.
Sich Sachkenntnis zur politisch-pädagogischen Argumentation aneignen.
-
Gegebenenfalls vom Kinderarzt schulbedingte psychosomatische
Erkrankungen bescheinigen lassen, im Fall einer Therapie die Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeutin in die Konfliktlösung
einbeziehen.
-
Antrag auf Umschulung des durch den Lehrer gekränkten
Kindes zu einer anderen Lehrerin stellen, um dem Kind einen Neuanfang
zu ermöglichen; pädagogisch-psychologische Begründung
des Antrags auf Schulwechsel ist das gestörte pädagogische
Verhältnis.
-
Vorsprache bei der Schulbehörde. Die sorgfältig
erarbeitete Dokumentation über Vorfälle vorlegen, die gegen
die Würde des Kindes verstoßen.
-
Wenn sich innerhalb der Schule nichts bewegen lässt: Öffentlichkeit
herstellen mit Hilfe von Presse und anderen Medien, Kinderschutzbund,
evangelische und katholische Jugendhilfe, Kreisjugendring, Politikern,
Bürgerinitiativen. Alle Personen und Institutionen alarmieren,
die sich für die demokratischen Rechte der Schüler und Eltern
einsetzen.
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Dienstaufsichtsbeschwerde, gestützt auf das Unterrichtsgesetz,
die Schulordnung, das Beamtenrecht, Grundgesetz, die Verfassung und
Kinderkonvention der Vereinten Nationen.
-
Vom Petitionsrecht Gebrauch machen, sich schriftlich
mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen, die Volksvertreter
und den Landtag wenden. Den Abgeordneten des Wahlkreises aufsuchen.
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An die Kultusministerin persönlich einen Brief
schreiben, sie auf die gegen die Gesetze verstoßenden, die
Schüler verletzenden Vorfälle hinweisen; sie bitten, den
Kindern zu helfen.
-
Gerichtliches Vorgehen bei Verstößen gegen
die Persönlichkeitsrechte der Kinder nach den geltenden Gesetzen.
Sich von in Schulangelegenheiten erfahrenen und für Kinder engagierten
Juristen beraten lassen.
Kinder büßen nicht die Schulkritik der Eltern,
sondern deren Schweigen zum Unrecht
Eine Mutter wartete nicht darauf, bis sie ihre Angst vor der Lehrerin
überwunden hatte, sondern ging mit ihrer Angst in die Sprechstunde
und erzählte, was sie bedrückte: „Meine Tochter kam mehrmals
weinend aus der Schule – wegen der Englischstunde bei Ihnen. Ich
möchte Ihnen sagen, wie es ihr geht. Sie erzählt mir, wenn sie
plötzlich aufgerufen wird, sei sie so aufgeregt, dass ihr nichts
mehr einfällt, obwohl sie gut gelernt hat. Davon überzeuge ich
mich immer wieder selbst. Meine Tochter sagt, erst hernach fällt
ihr wieder ein, was sie hätte sagen können. Sie ist dann wegen
der mündlichen Sechs verzweifelt. …” Die Studienrätin
konnte nicht wissen, dass das Mädchen, wenn es unerwartet aufgerufen
wird, offenbar aus Angst in eine Denk-Blockade gerät. Die Mitteilung
der Schülermutter half ihr, die Schülersicht wahrzunehmen und
daraus pädagogische Folgerungen zu ziehen. Schon die wechselseitige
Verständigung entspannte für alle drei Beteiligten die Situation.
Immer wieder geht es darum
-
ein Bewusstsein für Recht und Unrecht zu entwickeln, das jede
Entmutigung und Herabsetzung von Schülerinnen und Schülern
vermeidet,
-
die Zumutung auf sich zu nehmen, für sich selbst und die Kinder
einzutreten,
-
sich über Unrecht und Unachtsamkeit nicht nur im Stillen zu
empören, sondern es öffentlich zu tun, und es nicht nur
von anderen zu erwarten.
-
über die Verletzung der Menschenwürde nicht nur zu jammern,
sondern den Widerspruch zu wagen.
Der Macht-Missbrauch von Lehrern verstößt gegen
gültige Normen –
Für die Würde des Schülers politisch werden
Die Tabus bei pädagogisch unzulänglichem Lehrerverhalten abzubauen,
bedeutet für den einzelnen: Ich wehre mich, indem ich weder dem Totschweigen,
noch dem Verunglimpfen eine Chance gebe. Stattdessen mische ich mich ein,
konfrontiere den schwierigen Lehrer in hilfreicher Absicht mit seinem
undemokratischen Verhalten, trete schützend vor jene, die sich selbst
nicht schützen können. Ich stelle dem Einzelfall verletzenden
Lehrerverhaltens meinen persönlichen Einzelfall entgegen: nämlich
den, mich gegen die Verletzung der Persönlichkeitsrechte zu wehren.
Ich leiste an der Stelle Widerstand, an der ich von den Nöten
der Schüler berührt bin.
Was alle an der Schule Beteiligten aufrütteln sollte, beschreiben
Volker Krumm und Susanne Weiß in der Zusammenfassung ihrer Untersuchung
über den Machtmissbrauch von Lehrern so: „Das Lehrerverhalten,
das die Befragten schildern, verstößt gegen gültige
Normen. Zum Teil gegen Normen mit Gesetzeskraft: Körperverletzung,
Beleidigung einschließlich Beschimpfung mit Schimpfwörtern,
Freiheitsberaubung, entwürdigende Erziehungsmaßnahmen. Darüber
hinaus verstößt es gegen pädagogische Normen,
die heute allgemeine Anerkennung verdienen. Es verstößt letztlich
gegen die allgemeine Norm aller Pädagogen, die Entwicklung der ihnen
anvertrauten Kindern und Jugendlichen zu fördern und sich am ‚Kindeswohl’
zu orientieren. Das geschilderte Lehrerverhalten hat das Gegenteil von
Förderung und Kindeswohl bewirkt. Lehrer, die die Entwicklung oder
das psychische und physische Wohlbefinden der Kinder beeinträchtigen,
indem sie demotivieren, das Selbstvertrauen schmälern, Abneigung
gegen sich und die Schule bewirken, Angst, Kummer und Schmerz bereiten,
verhalten sich wie Ärzte, die statt zu heilen, krank machen.“
Verhaltensgestörte Lehrerinnen und Lehrer brauchen Konfrontation
und Hilfe
Ein Verhalten, das Kindern schadet, muss für Lehrer Folgen haben.
Sie müssen mit ihrem kränkenden Verhalten konfrontiert,
bei der Korrektur ihres Verhaltens unterstützt, zu pädagogischer
Weiterbildung und zur Arbeit an ihrer Person verpflichtet werden.
Möglichkeiten:
-
Konfrontation des Lehrers mit seinem pädagogisch unannehmbaren
Verhalten durch Kollegen, Eltern, Schüler, Schulbehörde.
Den Konflikt aufdecken und benennen, genau hinsehen und offen miteinander
reden.
-
Individuelle Krisenberatung in Einzel- und Gruppen-Supervision.
Wöchentliche Sitzungen, in denen die Konflikte mit einem Schulpsychologen
oder Psychotherapeuten oder Gruppenleiter bearbeitet werden.
-
Didaktische Einzelberatung, in der Lehrerinnen und Lehrer
lernen, wie man unterrichtet. Ein Lehrer, der lernt, pädagogisch
zu handeln, gerät nicht so leicht in Versuchung, seine Macht
zu missbrauchen.
-
Kollegiale Beratung durch erfahrene, pädagogisch und
didaktisch befähigte Kollegen. Sie lassen sich als Tutoren auf
den Lehrer ein; dabei sind wechselseitige Unterrichtsbesuche hilfreich.
-
Pädagogische Konferenzen, in denen sich das Kollegium
grenzensetzend und unterstützungsbereit auf den schwierigen Kollegen
einlässt.
-
Pädagogisch-psychologische Fortbildung. Verbesserung
der erziehungspsychologischen Fähigkeit durch Teilnahme an Arbeitskreisen,
Selbsthilfegruppen, Lehrgängen, Vorträgen.
-
Lehrer-Schüler-Eltern-Gespräche am „Runden Tisch”;
Diskutieren wie sich das verletzende Verhalten auswirkt, und wie es
durch gemeinsame Anstrengung und Abmachungen überwunden werden
kann.
-
Themenzentrierte Interaktionsgruppe. In ihr wird das persönliche
Erleben in Zusammenhang gebracht mit den schulischen Konflikten und
dem Hier und Jetzt in der Gruppe; Selbst- und Fremdwahrnehmung werden
unterstützt.
-
Konfliktgesprächsgruppe – Balint-Gruppe: Bearbeitung
der erzieherischen und unterrichtlichen Probleme und deren Beziehungsaspekte
mit Hilfe tiefenpsychologischer Erkenntnis. Balint-Gruppen machen
mitfühlfähiger und sicherer in der Konfliktbearbeitung.
-
Selbsterfahrungsgruppen für die Auseinandersetzung
mit der eigenen Person, auch deren unbewussten Seiten. Beziehungserfahrungen
fördern Selbstreflexion und Konfliktfähigkeit.
-
Psychotherapie im Falle tieferliegender Schwierigkeiten,
verursacht durch eine neurotische Entwicklung. Es werden unbewusste
Motive und Gewohnheiten bearbeitet, die zu unpädagogischem Handeln
führen. Unter Umständen muss Psychotherapie zur Auflage
gemacht werden.
-
Verpflichtung, sich weiterzubilden. Sind verhaltensgestörte
Lehrerinnen und Lehrer nicht bereit, von sich aus Wege der Hilfe zu
beschreiten, müssen sie verpflichtet werden, pädagogische
und didaktische Mängel durch Fortbildung zu beseitigen und den
Nachweis für pädagogische Fortschritte zu erbringen.
-
Versetzung auf eine Verwaltungsstelle, wenn der Lehrer
für seinen Beruf ungeeignet ist und die Kinder durch ihn Schaden
erleiden; Entlassung entsprechend des Beamtengesetzes.
Demokratische Einmischung gegen das Tabu verletzenden Lehrerverhaltens
–
Politik als praktizierte Sittlichkeit
Wenn wir damit beginnen, verletzendes Lehrerverhalten nicht mehr zu
tabuieren, verwirklichen wir mehr Demokratie: Politisch zu werden im Elternbeirat,
im Kollegium, in der Gemeinde, einer Bürgerinitiative, in einer Partei,
in aktuellen Initiativen... Václav Havel (4)
beschreibt in seinen Sommermeditationen „Politik als praktizierte
Sittlichkeit”: Gerade jene Menschen, die sich nicht für Politik
geeignet finden, sollten sich ihrer annehmen. „Wenn jemand
bescheiden ist und nicht nach Macht strebt, ist er nicht etwa ungeeignet,
sich der Politik zu widmen, sondern gehört im Gegenteil in sie hinein.
Es stimmt nicht, dass ein Politiker notwendigerweise intrigieren muss.
Die Voraussetzung für Politik ist nicht die Fähigkeit zu lügen.
In der Politik können nicht nur gefühllose Zyniker bestehen.
Diese alle, das ist wahr, zieht Politik an. Aber letztlich wird sich menschliche
Politik durchsetzen: Politik als praktizierte Sittlichkeit.”
Politik als praktizierte Sittlichkeit mag uns angesichts häufig
praktizierter Unsittlichkeit als Utopie erscheinen. Umso dringlicher ist
es, sich für eine Ethik der Anteilnahme und humanen Verantwortung
einzusetzen. Dazu gehört, in optimistischer Praxis dafür einzutreten,
dass die Würde des Schülers unantastbar ist. Das Problembewusstsein
für Menschenrechte in der Schule muss geweckt werden. Am Thema „Macht-Missbrauch
von Lehrern“ könnte allen bewusst werden, dass die Rechte des
Kindes zu wenig beachtet werden. Dass verletzendes Lehrerverhalten immer
wieder totgeschwiegen wird, muss nicht nur zum pädagogischen und
menschlichen, sondern auch zum politischen Problem werden.
Schülerpolitische Vorschläge für Humanität
im Unterricht
-
Persönlichkeitsrechte müssen auch Schülerrechte
sein
Persönlichkeitsverletzungen, die Schülern durch Lehrer zugefügt
werden, dürfen nicht tabuiert werden. Kinder, die unter dem Macht-Missbrauch
von Lehrern leiden, brauchen nicht nur die Hilfe von Eltern und Lehrern,
sondern auch die Hilfe der Politiker. Das Grundrecht „Die Würde
des Menschen ist unantastbar“ gilt auch für Schüler.
-
Die Rechte der Schüler stärken
Schülern muss ermöglicht werden, ihre Interessen auszudrücken
und im Rahmen der schulischen Aufgaben umzusetzen. Kinder und Jugendliche
sind fähig, demokratisch mitzusprechen bei der Lernstoff-Auswahl,
der Unterrichtsmethode und dem schulischen Zusammenleben. Sie brauchen
ein Mitbestimmungsrecht in allen sie betreffenden Fragen des Unterrichts
und des Schullebens. Dadurch wird ihr eigenverantwortliches Handeln
gestärkt.
-
Seelische Züchtigung verbieten
Das ist durch Gesetz festgelegt. Aber es müsste stärker
ins Bewusstsein von Lehrern, Schülern, Eltern und Politikern
eingehen. Kinder bloß stellen, beleidigen, sie in ihrer Ehre
verletzen, sie auslachen, ihre Person entwerten: das ist nicht nur
unpädagogisches Verhaltengehen, sondern kann strafbares
Handeln sein. Das Gesetz über gewaltfreie Erziehung muss mitden
konkreten Konsequenzen in Schulordnung und Schulgesetze eingehen.
-
Schülern ermöglichen, seelischer Gewalt von Lehrern
auszuweichen
Lehrer- und Schulwechsel, einen anderen Lehrer wählen, kann für
beide Seiten entlastend sein, wenn es sich um eine lernstörende
und nicht aufzulösende Unverträglichkeit zwischen Lehrer
und Schüler handelt.
-
Kindern das Recht auf Kritik an Lehrern geben
Kritik ist nicht einseitig von Lehrern zu Schülern möglich,
sondern auch umgekehrt. Die Schüler können lernen, Kritik
in konstruktiver Weise vorzubringen, sie sollten einüben, welche
Möglichkeiten kritischer Teilhabe es im Schüler-Lehrer-Verhältnis
gibt. Kritik schließt immer auch Selbstkritik ein und unterstützt
die Schüler in der demokratischen Tugend der Kritikfähigkeit.
-
Durch Schülerbeauftragte die Grundrechte der Schüler
schützen
Bei bestimmten Gruppen abhängiger Bürger wachen Bundesbeauftragte
darüber, dass die demokratischen Rechte gewahrt werden: Wehrbeauftragte
für Soldaten, Frauenbeauftragte für Frauen, Ausländerbeauftragte
für ausländische Bürger, Bundesbeauftragte für
Patienten. „Kinderbeauftragte“, wo es sie gibt, kümmern
sich nicht hinreichend um schulische Belange. Auch von ihnen wird
oft das Tabu befolgt, Lehrer nicht zu kritisieren. Schüler sind
in einer abhängigen Stellung; sie bräuchten „Treuhänder“,
die ihre grundgesetzlichen Rechte schützen. Schülerbeauftragte
könnten ein Gegengewicht zu den Lobbys von Lehrern bilden.
-
Schülern kostenfreien Rechtsschutz gewähren
Lehrer haben mehrfachen Rechtsschutz durch Berufsverband, Anstellungsbehörde
und privat. Schüler brauchen Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche
juristisch beraten und ihnen beistehen, wenn sie rechtswidrig behandelt
werden. Sie bedürfen des gleichen Rechtsschutzes, den ihre Lehrer
genießen.
-
Neutrale Instanzen für Schülerhilfe schaffen
Es müssen mehr Einrichtungen geschaffen werden wie: Kontakt-Telefon,
unabhängige Schülerberatungs-Stellen, psychosoziale Betreuung.
Wenn Kinder durch die Schule in Not gebracht werden, sollten sie sich
an unparteiischen Stellen beraten lassen können.
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Demokratisches Handeln praktisch erfahren lassen
Die Schüler müssen an dem Ort Demokratie erfahren, an dem
sie die meiste Zeit verbringen: in der Schule. Lehrer sollten sie
anleiten, demokratisch mitzuwirken: Die Schüler müssen ihre
Rechte kennen, lernen wie man eine Klassensprecherwahl durchführt
und wie sie die Aufgaben der Schülermitverwaltung erfüllen,
wie sie mehr Demokratie für mehr Humanität im Schulalltag
verwirklichen können.
-
Lebenslanges Lernen von Lehrern im Unterrichten und Umgang mit
Kindern
Lehrer-Sein ist ein helfender Beruf. Für den konflikt-bearbeitenden
und entwicklungsfördernden Umgang mit Kindern und Jugendlichen
sind Lehrer zu wenig ausgebildet. Deshalb bedürfen sie einer
Weiterbildung über die gesamte Berufszeit hinweg, wie dies bei
anderen helfenden Berufen üblich ist. Unterrichtliche Kompetenz
ist eine Voraussetzung für den achtsamen Umgang mit Kindern und
Jugendlichen. Lehrerinnen und Lehrer so aus- und fortzubilden, dass
sie Kinder gut unterrichten können, entspräche der Würde
des Schülers.
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1- Mehr dazu in: Kurt Singer: Die Würde des Schülers ist antastbar
(20023)
2- Volker Krumm und Susanne Weiß: Machtmissbrauch von Lehrern in
Österreich (2002)
3- Hartmut von Hentig: Die Schule neu denken (1993)
4- Václav Havel: Sommermeditationen (1992)
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