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       Prof. Dr. Kurt Singer - Leitgedanken
      Die Würde des Schülers ist antastbar 
        Für die achtsame Beziehung zu Kindern und Jugendlichen 
        in der Schule
        
       Kinder vor seelischer Verletzung schützen 
        Das Tabu des „Macht-Missbrauchs durch Lehrer“ aufheben 
        In der Schule mehr Demokratie wagen  
        
      1. Menschenrechte sind auch Kinderrechte – 
         
        Gewaltfreie Erziehung ist Gesetz – Halten wir es ein?  
       In der Erklärung der Vereinten Nationen heißt 
        es: „Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen 
        seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden. Die Disziplin in der Schule 
        muss in einer Weise gewahrt werden, die der Menschenwürde des Kindes 
        entspricht. Es hat das Recht, seine Meinung in allen es berührenden 
        Angelegenheiten frei zu äußern. Die Erwachsenen berücksichtigen 
        die Meinung des Kindes…” Im Grundgesetz der Bundesrepublik 
        Deutschland steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.” 
        Seit 2000 ist gewaltfreie Erziehung Kinderrecht. Es verbietet „körperliche 
        Bestrafung, seelische Verletzung und andere entwürdigende Maßnahmen”. 
       
      2. Die Würde des Schülers ist antastbar – 
         
        Wenn Lehrer Kinder seelisch verletzen, und alle es geschehen lassen 
       Zwar sind es „Einzelfälle”, in denen Schüler gedemütigt, 
        überfordert, bloß gestellt, in ihrem Selbstwertgefühl 
        verletzt werden. Aber unpädagogisches Handeln weniger Lehrer stört 
        das Lernen vieler Kinder. Es wirkt als Krankheitserreger in das 
        Schulsystem hinein. Die großen Schrecken kränkenden Lehrerverhaltens 
        setzen sich in kleinen Schrecken des Schulalltags fort: in der Furcht 
        vor Prüfungen, der Angst zu versagen, sich zu blamieren. – 
        Viele Lehrer bemühen sich, unterrichtlich kompetent und mitfühlfähig 
        auf Schüler einzugehen. Aber selbst sie werden von unpädagogischen 
        Verordnungen gezwungen, Kinder unter Druck zu setzen und deren Individualität 
        zu missachten. Es gilt, das Tabu zu brechen, Schulumstände in Schweigen 
        zu hüllen, durch welche die Würde der Schüler verletzt 
        wird. Eltern, Lehrer und Jugendliche sollten mit Zivilcourage für 
        demokratische Verhältnisse eintreten. 
      3. „Gewalt in der Schule“ – nur von Kindern 
        und Jugendlichen? –  
        Das Tabu des Macht-Missbrauchs durch „Einzelfälle“ von 
        Lehrerinnen und Lehrern  
       Wenn über „Gewalt in der Schule“ gesprochen wird, denkt 
        man in der Regel an Gewalt, die von Schülern ausgeht. Das überrascht; 
        denn Schüler geben an: Sie seien öfter verletzendem Lehrerverhalten 
        ausgesetzt als Angriffen von Mitschülern. Dass Lehrergewalt mindestens 
        so häufig vorkommt wie Schülergewalt, zeigt sich in wissenschaftlichen 
        Untersuchungen. Auch Erwachsene erzählen weniger von gewalttätigen 
        Mitschülern, als von macht-behauptenden Lehrern, unter denen sie 
        litten. Noch nach Jahren oder Jahrzehnten erinnern sie mit Unbehagen, 
        Angst oder Wut kränkende Vorfälle, bei denen sie gedemütigt 
        wurden. Manche fühlen sich durch die Gewalt des Macht-Missbrauchs 
        dauerhaft beschädigt. Viele Erwachsene kennen verletzendes Lehrerverhalten, 
        aber in aktuellen Situationen ihrer Kinder schweigen sie dazu. Das Tabu 
        über dem Macht-Missbrauch von Lehrern scheint unüberwindbar. 
        Das hängt auch damit zusammen, dass in die Schule kaum ein Hauch 
        von Demokratie eingedrungen ist. 
      4. Verächtlich machende Lehrer-Sprache: Worte können 
        töten –  
        Sie können seelisch und psychosomatisch verletzen  
       Es schädigt Kinder in ihrem Selbstwert, wenn sie beleidigt, gekränkt, 
        entwertet werden. Oft fühlen sie sich bei herabsetzendem Lehrerverhalten 
        selbst schuld; sie dürfen nicht merken, was ihnen angetan wird. In 
        Einzelfällen sind sie Opfer einer Pädagogik der Unterwerfung, 
        die sich in Gewalt durch verächtlich machende Worte und Zensuren-Willkür 
        äußert. Erniedrigende Lehrersprache kann „Gift” 
        sein, das psychisch und psychosomatisch verletzt. Worte können töten: 
        das Selbstwertgefühl, die Lernfreude, die pädagogische Beziehung, 
        den Mut – aber auch in der wirklichen Bedeutung des Wortes.  
       5. Achtsame Beziehung durch das aufrichtende Wort – 
         
        Persönliche Anerkennung und Lernerfolg stärken das Selbstvertrauen 
        der Jugendlichen 
       Das ”gute Wort” macht Schülern bewusst: Wir sind im Lernen 
        vorangekommen und werden als Person akzeptiert. Von Lehrern wahr-genommen 
        zu werden, stärkt ihren Glauben an sich selbst: ihr Selbstbild. Das 
        Selbstwertgefühl ist Voraussetzung erfolgreichen Lernens. Lehrer 
        und Lehrerinnen sollten Schüler anerkennen: genau hinsehen, 
        das Kind nicht nur als Schüler, sondern als ganzen Menschen erkennen. 
        Ermutigende Wort beflügeln und machen zuversichtlich; sie wirken 
        oft lange nach. Bei Lehrern, die Mut machen, können Kinder gut lernen. 
        Es ist Aufgabe von Lehrern, den Kindern zu Erfolg zu verhelfen – 
        und zwar allen Schülern, auch den Schwachen, entsprechend 
        ihren individuellen Möglichkeiten. 
      6. Klagen der Schüler über entwürdigendes 
        Lehrerverhalten –Verletzung der Persönlichkeitsrechte: 
        Angst machen, demütigen, überfordern 
       Kinder und Jugendliche klagen weniger über die Schule an sich. 
        Sie klagen über Lehrer, die ihnen das Lernen und Leben schwer machen. 
        Diese „Einzelfälle” stellen Kinder bloß, lachen sie 
        aus, lassen sie an Prüfungsfragen hängen, bedrohen und disziplinieren 
        sie mit schlechten Zensuren. Sie lesen ohne Einverständnis der Jugendlichen 
        missglückte Arbeiten vor, blamieren Kinder, erniedrigen sie durch 
        Kritik an ihrem Aussehen, rufen die Schüler auch dann auf, wenn diese 
        sich nicht zu Wort melden. Oft sagen Jugendliche, sie würden „fertig 
        gemacht“. Gefürchtete Lehrer erschrecken Kinder mit unangesagten 
        Proben, kreiden ihnen Fehler an und sehen nicht, was geglückt ist. 
        Sie lassen nicht mit sich reden, verweigern den Schülern mitzubestimmen, 
        stellen überhöhte Leistungsanforderungen ohne individuell Rücksicht 
        zu nehmen. Sie helfen ihnen nicht, wenn sie sich schwer tun. „Angst 
        machen“ ist so weit verbreitet, dass es einen eigenen Begriff dafür 
        gibt: Schulangst. Jemand Angst einjagen ist seelische Gewalt. 
      7. Würdevoller Umgang mit Schulkindern: Unterrichten, 
        eine ”helfende Beziehung” –  
        Lehrer-Autorität als Vorbild 
       Freundlicher Kontakt zwischen Lehrern und Schülern zählt zu 
        den Grundlagen des Lernens. Der menschliche Bezug festigt in Kindern den 
        Lernwillen und verhilft zu Arbeitszufriedenheit. Unterricht wird nicht 
        nur vom Lerninhalt bestimmt, sondern auch durch die pädagogische 
        Beziehung. Schüler strengen sich mehr an, wenn sie ein persönliches 
        Interesse des Lehrers spüren und wenn sie ihre Lehrer als Autorität 
        anerkennen. Der Respekt der Schüler gegenüber den Lehrenden 
        beruht auf deren menschlichen und intellektuellen Qualitäten. Die 
        Lehrer-Autorität drückt sich darin aus, dass der Lehrer sein 
        Fach überzeugend vertritt, lebendig unterrichtet, 
        als Person beziehungsfähig und moralisches Vorbild ist. 
       
      8. Die Schüler achtungsvoll behandeln durch pädagogischen 
        Takt –  
        Lernklima der Rücksichtnahme: Vom Unterrichtsfach „Ethik“ 
        zu „angewandter Ethik“ 
       Taktvoll miteinander umzugehen beruht auf der Achtung vor der Würde 
        des Menschen. Die ungleiche Situation zwischen Kindern und Erwachsenen 
        erfordert, sich in Kinder einzudenken, Rücksicht vorzuleben 
        und die Schüler zu Rücksicht anzuleiten. Bei Lehrern mit pädagogischem 
        Takt können Kinder sicher sein, nie bloßgestellt, nicht unvorhergesehen 
        aufgerufen zu werden, sondern nur, wenn sie sich melden. Schüler 
        werden nicht ausgelacht und beschämt, Zensuren nicht vor anderen 
        bekannt gegeben. Taktvolle Lehrerinnen bemängeln Fehler nicht öffentlich; 
        sie korrigieren behutsam, um die Schülerarbeit nicht zu entwerten. 
        Fehler-Freundlichkeit ist Unterrichtsprinzip: Aus Fehlern lernen, 
        statt Kinder damit zu verurteilen. Taktvolle Lehrer vermeiden es, geistige 
        und körperliche Schwächen von Jugendlichen aufzuzeigen, Kinder 
        durch Ironie oder mit Schimpf- und Spottnamen zu erniedrigen. Durch pädagogischen 
        Takt sind Lehrerinnen und Lehrer Vorbilder für das taktvolle Verhalten, 
        zu dem sie die Schüler erziehen wollen. Schülerinnen und Schüler 
        brauchen nicht nur Ethikunterricht, sondern „angewandte 
        Ethik“ im Schulalltag. 
      9. Angst mildern durch lernpsychologisch begründetes 
        Prüfen –  
        Die Schüler vor Misserfolg bewahren 
       Besonders verbreitet ist Prüfungsangst. Aber übermäßige 
        Angst macht dumm, krank, unkonzentriert, anpassungsbereit und schweigsam. 
        Es gehört zur helfenden Lehrer-Schüler-Beziehung, Angst zu vermindern. 
        Zum Beispiel durch lernpsychologisch begründetes Prüfen: 
        Die Schüler wissen genau, was drankommt, wirken 
        mit beim Erstellen von Fragen, bekommen ausreichend Zeit, um 
        sich vorzubereiten, üben in Vorversuchen die Leistungsprüfung 
        ein, lernen Methoden geistigen Arbeitens, dürfen Hilfsmittel 
        verwenden. Sie erhalten die Prüfungsarbeiten rasch und taktvoll 
        zurück, werden gut informiert über Erfolg und Misserfolg, 
        bekommen Hilfen für das weitere Lernen. Lernpsychologisch sinnvoll 
        ist es, missglückte Prüfungen wiederholen und nicht 
        die Kinder auf ihrem Misserfolg sitzen zu lassen. 
      10. Eine humane Schule ist die beste Leistungsschule – 
         
        Entmutigendes Lehrerverhalten behindert die Lern-Entwicklung 
       Entmutigende Erfahrungen durch Misserfolg, Überforderung, persönliche 
        Herabsetzung, Übersehen-Werden, schränken für Kinder das 
        Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, manchmal sogar 
        das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Unpädagogisches Lehrerhandeln 
        zerstört in den Schülern Lernfreude, Fragelust und Lernwillen; 
        es raubt ihnen Interesse, Vertrauen und Selbstvertrauen, die Lust am Denken 
        und Erfinden, Spontaneität und Selbstwertgefühl. Es nimmt ihnen 
        Hoffnung auf Erfolg und enttäuscht sie in ihrem Wunsch nach guter 
        Beziehung. Destruktives Lehrerverhalten kann Kinder seelisch und körperlich 
        krank machen. Deshalb sollten wir das Lernen in der Schule daraufhin prüfen, 
        ob es Humanität befördert. Eine humane Schule ist die beste 
        Leistungsschule, mehr Menschlichkeit im Unterricht stärkt die Leistungstüchtigkeit. 
      11. Eltern und Lehrerkollegen sollten den Kindern bei Angst 
        vor Lehrern beistehen –  
        Sich mit pädagogischer Vernunft und menschlicher Anteilnahme einmischen 
       Eltern und Lehrerkollegen sollten Unrecht benennen und Verantwortung 
        für die Kinder übernehmen. Das ermöglicht es jenen Lehrern, 
        die ihre Macht missbrauchen, ihr Verhalten zu überdenken. Konflikte 
        und Widersprüche sollten öffentlich gemacht und gemeinschaftliche 
        Formen des Umgangs mit Konflikten ermöglicht werden. Mit der Befürchtung 
        ”Wenn wir Lehrer kritisieren, muss es das Kind büßen”, 
        flüchten Eltern in eine Haltung der Ohnmacht. Die Kinder büßen 
        vielmehr, dass Mütter und Väter zu Unrecht schweigen. Eltern 
        sollten Fürsprache für Kinder wagen. Wenn sie pädagogisches 
        Unvermögen offen benennen, tragen sie dazu bei, es zu überwinden. 
        Weil Lehrerschicksale zu Schülerschicksalen werden, gilt es die Kinder 
        vor ungeeigneten Lehrerpersönlichkeiten zu schützen und diese 
        selbst vor ihrem psychisch verletzenden Handeln zu bewahren. Nicht nur 
        der psychisch gestörte Lehrer macht sich schuldig, sondern auch seine 
        Umgebung; denn sie verhindert das schülerfeindliche Verhalten nicht. 
       
      12. Gegen kränkendes Lehrerverhalten protestieren – 
         
        Eltern, Lehrer und Schüler können Wege der Konfliktbearbeitung 
        beschreiten 
       Alle Beteiligten sollten das Tabu brechen, den Macht-Missbrauch in Schweigen 
        zu hüllen, den „Einzelfälle“ gegenüber wehrlosen 
        Kindern ausüben. 
      
        - 
          
Genau hinsehen, statt wegzuschauen. Den Kindern zuhören; 
            sie ernst nehmen, wenn sie über entwürdigende Vorkommnisse 
            berichten, diese schriftlich festhalten. 
         
        - 
          
 Mit anderen Schülereltern über deren Beobachtungen sprechen; 
            sich solidarisieren. 
         
        -  
          
Elterngespräche mit dem schwierigen Lehrer. Die Not 
            des Kindes erkennen lassen, Lehrer nicht vorschnell schuldig sprechen. 
            Die Lehrer-Sicht anhören, auf den Rechten des Schülers bestehen. 
         
        - 
          
 Gespräch der Eltern mit der Klassenlehrerin, dem Vertrauenslehrer, 
            mit aufgeschlossenen Lehrern des Kollegiums. Die verletzende Situation 
            aufzeigen, schul-öffentlich machen, um Mithilfe bitten. 
         
        - 
          
 Gespräche mit der Schulleitung auf Grundlage genauer 
            Informationen und Notizen über taktloses, demütigendes, 
            überforderndes oder unterdrückendes Lehrerverhalten; Vorschläge 
            formulieren. 
         
        - 
          
 Gespräche von Lehrerkollegen mit dem unpädagogisch 
            handelnden Lehrer: einzeln oder in kleiner Gruppe den Konflikt klären, 
            Hilfsangebote machen, dem kränkenden Lehrer Grenzen setzen. 
         
        - 
          
 Gespräche mit Schulpsychologen, Beratungslehrern: 
            Wie können sich diese für die Schüler einsetzen? 
         
        - 
          
 Gespräch in der Lehrerkonferenz: ein Bündnis 
            anstreben im Interesse von Schule und Schülern. 
         
        - 
          
 Konflikt-bearbeitende Gespräche der Schüler mit 
            dem schwierigen Lehrer, zusammen mit einem vermittelnden Lehrer. Den 
            Schülern zuhören, Vorschläge erarbeiten, deren Verwirklichung 
            verfolgen. 
         
        - 
          
 Diskussion im Elternbeirat. Gespräche von Elternvertretern 
            mit dem Lehrer, Klassenlehrer, der Schulleitung. Zusammenarbeit mit 
            Schülern und Schülervertretern. 
         
        - 
          
 Vom Kinderarzt psychosomatische Störungen bestätigen 
            lassen, ihn um Engagement bitten, ebenso Psychotherapeutinnen 
            für Kinder und Jugendliche. 
         
        - 
          
 Antrag auf Umschulung: dem durch den gestörten Lehrer 
            gestörten Kind bei einer anderen Lehrerin einen Neu-Anfang ermöglichen. 
         
        - 
          
 Vorsprache bei Schulrat und Schulbehörden, eine Dokumentation 
            erarbeiten über Vorfälle, die gegen die Würde des Kindes 
            verstoßen. 
         
        - 
          
Öffentlichkeit herstellen durch Presse und andere Medien. 
         
        -  
          
Dienstaufsichtsbeschwerde, gestützt auf Unterrichtsgesetz, 
            Schulordnung, Beamtenrecht ,Verfassung. 
         
        - 
          
 Das Petitionsrecht nützen: sich schriftlich mit Bitten 
            und Beschwerden an Abgeordnete wenden. 
         
        - 
          
 Gerichtliches Vorgehen bei Verstößen gegen das 
            Grundgesetz, gegen die Persönlichkeitsrechte der Schüler 
            und die Kinderkonvention der Vereinten Nationen. 
         
       
      13. Das Tabu bei destruktivem Lehrerhandeln hält den 
        schulpsychologischen Erkenntnisstand tief –  
        Es verhindert den pädagogischen Fortschritt 
       Selbst schlimmste Verstöße gegen die Persönlichkeitsrechte 
        der Schüler werden meist stillschweigend hingenommen. Das Thema wird 
        nicht öffentlich diskutiert, die Kinder finden zu wenig Fürsprecher. 
        Dieses Tabu behindert den pädagogischen Fortschritt; es führt 
        vom Denkverbot zur Denkhemmung. Deshalb gehört die „Pathologie 
        der Normalität” zum Schulalltag: das lernstörende Zensurensystem, 
        die angstmachende Prüfungspraxis, die Missachtung der kindlichen 
        Individualität, das Diktat von Stoffplänen, das den ”Lebensstoff” 
        der Schüler ignoriert, das zerhackte Lernen im Dreiviertelstunden-Takt, 
        der lernpsychologische Widersinn, unterschiedliche Kinder nicht unterschiedlich 
        lernen zu lassen, sondern alle zur gleichen Zeit, im selben Arbeitstempo, 
        mit der gleichen Methode, im selben Schwierigkeitsgrad über die gleiche 
        Sache zu unterrichten, fehlende Möglichkeiten, Schüler, Eltern 
        und Lehrer mitbestimmen zu lassen.  
      14. Gestörte Lehrer stören das Lernen – Sie 
        brauchen Konfrontation, „Nachhilfe“ und Hilfe -  
        Die wehrlosen Kinder brauchen Schutz und Unterstützung in hilfloser 
        Situation 
       Wenn Lehrer die Würde der Schüler missachten, muss das Folgen 
        haben. Diese Lehrer müssen mit ihrem kindfeindlichen Verhalten konfrontiert, 
        bei der Korrektur ihres Verhaltens unterstützt, zu pädagogischer 
        Weiterbildung und Arbeit an ihrer Person verpflichtet werden. 
        Wege sind: die Konfrontation mit dem unpädagogischen Verhalten durch 
        Kollegen, Eltern, Schüler, Schulbehörde; Krisenberatung in Einzel- 
        und Gruppensupervision; didaktische Unterweisung, damit Lehrer lernen, 
        wie man unterrichtet; pädagogische Konferenzen und psychologische 
        Fortbildung; Lehrer-Schüler-Eltern-Gespräche am ”Runden 
        Tisch”; Teilnahme an Lehrergruppen; Psychotherapie bei psychischen 
        Erkrankungen. Bei fehlender Eignung für den Lehrberuf muss es Wege 
        geben, Lehrer zu entlassen oder sie auf eine Stelle zu versetzen, auf 
        der sie nicht mit Kindern in Berührung kommen. Eine Ursache dafür, 
        dass in der Schule Menschenrechte nicht gleich Kinderrechte sind, ist 
        die unzureichende Lehrer-Weiterbildung: Man hält die Kinder nicht 
        für würdig, ihre Lehrer so auszubilden, dass sie lernwirksam 
        unterrichten können und sich mit Jugendlichen identitäts-stützend 
        und konflikt-bearbeitend einzulassen vermögen.  
      15. Unpädagogisches Lehrerverhalten wird durch unpädagogische 
        Vorschriften staatlich verordnet 
        Lehrerinnen und Lehrer brauchen zivilen Mut zum sozialen Ungehorsam 
       Würdeloses Lehrerverhalten hängt auch mit ministeriellen Vorschriften 
        zusammen. Unpädagogische Schulstrukturen begünstigen unpädagogisches 
        Handeln: Das Zensuren-Unwesen führt zur befohlenen Verletzung kleiner 
        Kinder; die Tyrannei des ”Stoffes” nimmt Sachen wichtiger als 
        Menschen; die frühe Auslese unterwirft Kinder einem unerbittlichen 
        Rivalitätsprinzip; die Diktatur der Prüfungen und unangesagten 
        Proben jagt Schülern Angst ein. Die Gleichschaltung aller Kinder 
        einer Schulklasse verstößt gegen das Grundrecht auf individuelle 
        Entfaltung. Es kommt zur ”Pathologie der Normalität”, zum 
        Beispiel in der widersinnigen ”Normalverteilung” der Zensuren 
        innerhalb einer Klasse nach der Gauß’schen Normalverteilungskurve. 
        Diese verbreitete „Vorschrift“, nach der es „Schlechte“ 
        geben muss, entbehrt jeglicher wissenschaftlichen, schon gar erziehungswissenschaftlicher 
        Grundlage. Gegen die in undemokratischen Schulstrukturen fest geschriebene 
        Würdelosigkeit müssten Eltern, Lehrer und Schüler mit Zivilcourage 
        eingreifen und die Politiker zum Handeln heraus fordern. 
      16. Die Würde des Schülers erfordert pädagogische 
        und demokratische Schulstrukturen –  
        Folgerungen aus der PISA-Studie: „Die Menschen stärken, die 
        Sachen klären“ 
       Was die PISA-Studie über die bessere Leistungsfähigkeit der 
        Schüler anderer Ländern aussagt, fordert zu schulpädagogischen 
        Konsequenzen heraus: 
      
        - 
          
 Den Unterricht differenzieren nach der 
            individuellen Leistungsfähigkeit der Schüler. Alle Kinder 
            brauchen Erfolg: durch unterschiedliche Lernziele, die ihrer Begabung 
            gemäß sind. 
         
        - 
          
 Beim  Lernen ohne Noten werden Kinder 
            aufmerksam in ihrer Ganzheit wahrgenommen. Sie erhalten ausführliche 
            individuelle Informationen und Lernhinweise, die sie stärken. 
         
        - 
          
 Keine Auslese nach dem vierten Schuljahr, sondern gemeinsames 
            Lernen bis zur 8.Klasse.  
         
        -  
          
Kein Sitzen-Bleiben: Kinder nicht „sitzen 
            lassen“, sondern auffangen, ihnen Halt geben und helfen. 
         
        - 
          
 Die Schüler anleiten, eigenständig zu denken, 
            Informationen selbständig zu verarbeiten. 
         
        -  
          
Lernen durch Handeln, Selbst-tätig-Sein: 
            Arbeitsschule statt Rede- und Zuhörschule, Lernen wie man lernt. 
            Lernschule statt Prüfschule mit ihrem ständigen Testen, 
            Aus- und Abfragen.  
         
        - 
          
 Den  Schwächeren helfen, statt sie 
            durch schlechte Noten in ihrem Ich zu schwächen, partnerschaftlicher 
            Unterricht statt Konkurrenz. 
         
        -  
          
Nachhelfen im Schulunterricht, statt in 
            außerschulischem, kommerziellen, von Eltern bezahlten Nachhilfeunterricht. 
         
        -  
          
Zusammenarbeiten, statt Konkurrieren: Partner- 
            und Kleingruppenarbeit, Kreisgespräch und Projektunterricht. 
         
        -  
          
Interessen wecken und Schülerinteressen 
            berücksichtigen durch lebensnahe Lerninhalte, die die Schüler 
            „angehen“. Vertieftes Lernen, statt Unmengen „Stoff 
            durchnehmen“.  
         
        - 
          
 Den Unterricht auch nach persönlicher Neigung 
            und unterschiedlichen Interessen ausrichten. 
         
        -  
          
Kein 45-Minuten-Takt, sondern ganzheitliches 
            Lernen, an der Sache und dem Schüler orientiert. 
         
        - 
          
 Die individuelle Arbeitshaltung des einzelnen 
            Kindes berücksichtigen, Arbeitstempo und unterschiedliche Lerntypen. 
         
        - 
          
 Die  Lernmotivation unterstützen, 
            Lernfreude als Unterrichtsziel anstreben. 
         
        - 
          
 Unterricht muss nicht „Spaß machen“, sondern Erfolg 
            bescheren: „Das kann ich jetzt.“ 
         
        - 
          
 Die Unterrichtsinhalte an den heutigen Lernwünschen 
            der Jugendlichen orientieren. 
         
        - 
          
 Die Lern-Inhalte daran ausrichten, was für das Erwachsenenleben 
            tatsächlich notwendig ist. 
         
        - 
          
 Als  Eltern Interesse für das zeigen, 
            was Kinder im Unterricht lernen, nicht nur für die Zensuren. 
         
       
      17. Das paradoxe Verhalten der „Verantwortlichen“ 
        als Reaktion auf PISA:  
        Politiker und Bürger leiden an einer Lernstörung – Pädagogische 
        Sachkenntnis wird verachtet 
       Derzeit sieht es so aus, als litten die Erwachsenen an einer schweren 
        Lernstörung, denn sie planen das Gegenteil von dem, was PISA nahe 
        legt. Zum Beispiel: In Ländern mit leistungsstarken Schülern 
        gibt es keine Noten – bei uns sollen Kinder jedoch noch 
        früher mit Ziffernnoten be- und entwertet werden. – Langes 
        gemeinsames Lernen in einer Klasse scheint ein Merkmal zu sein, 
        das die Leistung steigert – bei uns aber sollen die Schüler 
        noch früher aussortiert und voneinander getrennt werden. – 
        In Ländern mit guten Leistungen gibt es kein Sitzen-Bleiben 
        – bei uns wird daran fest gehalten, Kinder „sitzen zu lassen“. 
        – Unterschiedliche Anforderungen für unterschiedliche 
        Schüler bringen bessere Leistungen – bei uns bleibt es jedoch 
        beim Frontalunterricht. – Die Studie zeigt: es ist nicht Leistungsdruck, 
        der zu guten Ergebnissen führt – aber viele Politiker, Schülereltern 
        und Lehrer drängen auf noch mehr Leistungsdruck in immer noch früheren 
        Jahren. – Es scheint, als habe die pädagogische Vernunft keine 
        Chance, und es ist offenkundig, dass sich die Verantwortlichen kaum um 
        pädagogisch-psychologische Sachkenntnis bemühen. 
      18. Jedes Kind braucht für seine Lern-Entwicklung Lernerfolg 
        –  
        Unterschiedliche Anforderungen für unterschiedliche Kinder: durch 
        Differenzierung 
       Nichts spornt den Lernwillen mehr an, als eine geglückte Leistung. 
        Statt ständig Leistung messen zu müssen, sollten Lehrerinnen 
        und Lehrer Leistung ermöglichen: durch individuelle Anforderungen, 
        die für das Kind die Lernziele erreichbar machen. In einem differenzierenden 
        Unterricht müssen nicht alle das Gleiche lernen, sondern jedes Kind 
        leistet das ihm Mögliche. Am Ende des Unterrichts sollten die Schüler 
        erkennen: „Ich habe etwas dazu gelernt.“ Lernerfolg ist der 
        beste Garant für weiteren Erfolg, er motiviert Schüler zum Lernen. 
       
      19. Die Langsamkeit entdecken –  
        Schülerrecht auf das persönliche Lerntempo – Jedes Kind 
        ist anders 
       Kinder sollen nachhaltig lernen, dazu brauchen sie Zeit. Lernen 
        ist ein Wachstumsprozess, und Wachsen geht langsam vor sich. Wenn Lehrer 
        sich selbst und die Kinder unter Zeitdruck setzen – „Schließlich 
        muss ich meinen Stoff durchbringen“ – , kommt innere und äußere 
        Unruhe auf. Den schuldlos Langsamen wird Unrecht zugefügt, nur weil 
        sie langsam sind. Die „Entdeckung der Langsamkeit“ wäre 
        eine kinderfreundliche Errungenschaft, sie würde auch Eltern und 
        Lehrern gut tun. Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf 
        das eigene Zeitmaß, denn Menschen sind verschieden, auch im Hinblick 
        auf Langsamkeit und Schnelligkeit. „Gras wächst auch nicht 
        schneller, wenn man daran zieht.“ 
      20. Interesse wecken und persönliche Neigungen fördern 
        –  
        Interesse ist Grundlage der Bildung 
       Kinder, die aus Interesse lernen, lernen nicht nur lieber, sondern leisten 
        auch mehr. Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sollten die Interessen der Kinder 
        wahrnehmen, ihnen nachgehen und Interesse wecken. Wenn es ihnen gelingt, 
        Schüler interessiert zu machen, schaffen sie eine wichtige Grundlage 
        des Lernens. Es gehört zum Schlimmsten, was Schule anrichtet, wenn 
        sich zeigt, dass das Lern-Interesse im Verlauf der Schuljahre nachlässt. 
        Ohne Interesse gibt es keine Bildung. Denn der Gebildete ist ein Mensch, 
        der seine Neugier wach hält, seine Ansprechbarkeit auf Unbekanntes 
        bewahrt. Er bleibt auf der Suche nach Wissen und neuen Erfahrungen; das 
        stärkt seine Leistungsfähigkeit. 
      21. Mit Zivilcourage für die Würde des Schülers 
        eintreten – und für die des Lehrers –  
        In der Schule mehr Demokratie wagen 
       Dazu ist notwendig, dass Lehrer ihre pädagogische Freiheit beanspruchen. 
        Es gilt, die Würde der Schüler gegen die bürokratische 
        Schulverwaltung zu verteidigen. Dazu bedarf es lernpsychologischer Aufgeklärtheit, 
        persönlicher Mitfühlfähigkeit engagierter Lehrer, und des 
        sozialen Mutes der Schülereltern. Alle bräuchten mehr Zivilcourage: 
        den Mut, öffentlich zur humanen Überzeugung zu stehen und sich 
        einzumischen, um in der Schule mehr Demokratie zu verwirklichen.  
      22. Schüler-politische Vorschläge für eine 
        neue Ethik des Zusammenlebens in der Schule – 
        Schüler brauchen das Engagement von Politikern 
      
        - 
          
 Am Thema ”Macht-Missbrauch von Lehrern” ein Problembewusstsein 
            für Menschenrechte in der Schule wecken; die Tabuierung 
            verletzenden Lehrerverhaltens zum politischen Thema machen. 
         
        - 
          
 Die von den Vereinten Nationen proklamierten Rechte des Kindes 
            auf die Schule anwenden: Auch die Würde des Schülers 
            ist unantastbar. Dieses Grundrecht muss durch Schulgesetze geschützt 
            werden. 
         
        -  
          
Mehr Demokratie für mehr Humanität wagen: Schüler 
            demokratisches Handeln praktisch erfahren lassen, sie anleiten, demokratisch 
            mitzuwirken.. 
         
        - 
          
 Die Rechte der Schüler stärken. Kinder und Jugendliche 
            sollen in allen sie betreffenden Fragen mitbestimmen: bei Lernstoffauswahl, 
            Unterrichtsmethode und schulischem Zusammenleben. 
         
        - 
          
 Kindern das Recht auf Kritik an Lehrern einräumen, 
            auch was den pädagogischen Takt betrifft.  
         
        - 
          
 In allen Schulfragen, die das Wohl ihrer Kinder betreffen, sollen 
            die Eltern mit entscheiden. 
         
        -  
          
Seelische Züchtigung verbieten, nicht nur körperliche: 
            Bloßstellung, Beleidigung, Entwertung, Demütigung, Auslachen, 
            psychische Verletzung sind Straftaten. 
         
        - 
          
 Schülern Möglichkeiten schaffen, seelischer Gewalt 
            von Lehrern auszuweichen: durch Lehrer- und Schulwechsel oder 
            Lehrerwahl. 
         
        - 
          
 Neutrale Instanzen für Schülerhilfe schaffen: 
            Kontakttelefon, unabhängige Beratungsstellen, psychosoziale Betreuung. 
         
        -  
          
Schülern Rechtsschutz gewähren. Stellen dafür 
            einrichten, Kindern juristisch beizustehen, wenn sie rechtswidrig 
            behandelt werden und Hilfe brauchen, wie auch ihre Lehrer Rechtsschutz 
            genießen. 
         
        - 
          
 Lehrern verpflichtende lebenslange Lehrerfortbildung anbieten: 
            für unterrichtliche Kompetenz und konflikt-bearbeitenden Umgang 
            mit Jugendlichen. 
         
        -  
          
Schülerbeauftragte ernennen: Ombudsfrau oder Ombudsmann 
            wachen politisch über die Einhaltung demokratischer Grundrechte 
            gegenüber Schülern, so wie dies Wehrbeauftragte, Ausländerbeauftragte, 
            Frauenbeauftragte für ihre Gruppe abhängiger Bürger 
            tun. 
         
       
      
      23. Selbstverpflichtung zu einer pädagogischen Ethik: 
        „Lehrer-Eid“ – 
        Verantwortung für das Lernen der Kinder übernehmen – und 
        für ihre Unversehrtheit  
       Auch die Würde des Schülers muss unantastbar sein. Der Gründer 
        der Bielefelder Laborschule, Hartmut von Hentig, schlägt vor: So 
        wie Ärzte den hippokratischen Eid, sollten auch Lehrer einen Eid 
        leisten: eine Selbstverpflichtung, in der sie versprechen, jedes Kind 
        in seinen Eigenheiten zu respektieren, für seine körperliche 
        und seelische Unversehrtheit einzustehen, seine Regungen zu achten, ihm 
        zuzuhören, es ernst zu nehmen. Lehrer verpflichten sich, Schüler 
        die Kunst der Verständigung und des Verstehens zu lehren, sie bereit 
        zu machen, für die Gemeinschaft Verantwortung zu tragen. Sie leben 
        vor, wie man mit Schwierigkeiten zurecht kommt, sich der Kritik der Schüler 
        und Sachkundigen stellt, und sich allen Verhältnissen widersetzt 
        – auch Dienstvorschriften – welche die humanen Vorsätze 
        verhindern. – Ein solcher Eid gäbe engagierten Lehrerinnen 
        und Lehrern Richtung und Unterstützung in ihrem wert-erfüllten 
        pädagogischen Handeln. Für Kinder garantierte er eine zugewandte 
        Lernumwelt. 
           
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